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22.04.2022

Ein RBN-Gespräch mit Thomas Wimmer, Vertriebs- und Marketingleiter von Wissler Mannequins, über die derzeitigen Krisen im Einzelhandel und die Ausrichtung von Wissler Mannequins.

Retailbrandnews: Wie wirken sich die gegenwärtigen Krisen (Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg) auf den stationären Handel aus?

Thomas Wimmer: Bei unseren Kunden sehen wir ein sehr differenziertes Bild. Die Modebranche gehört eindeutig zu den Verlierern der Corona-Krise, während der Sporthandel davon profitierte, dass Endverbraucher nicht reisen konnten und dadurch mehr Geld für sportliche Aktivitäten ausgeben. Insbesondere das Segment Outdoor und Bike erlebte geradezu einen Boom. Das spiegelt sich in den Investitionen des Einzelhandels wider.

RBN: Der stationäre Handel steckt ja nicht erst seit der Corona-Pandemie in einer tiefen Krise. Die Corona-Krise verschärft den Unterschied zwischen denen, die online erfolgreich sind, und jenen, die es nicht sind. Einzelhandels- und E-Commerce-Experte Prof. Gerrit Heinemann sagt: „Für die kleinen lokalen Händler in der Innenstadt ohne Onlineshop sieht es düster aus.“ Stimmen Sie seiner Annahme zu und wie wird bzw. soll sich der stationäre Handel in Ihren Augen entwickeln?

Wimmer: Den starken Zuwachs im E-Commerce, gab es ja schon vor der Krise. Die Lockdowns haben das Wachstum jedoch massiv beschleunigt. Trotzdem sehnen sich die Verbraucher nach einem Einkaufserlebnis und persönlicher Beratung. Der oft zitierte Erlebniskauf ist wichtiger denn je. Konsumenten wollen Shopping als Erholung und Freizeit wahrnehmen. Das muss sich auch in der Ladengestaltung widerspiegeln. Händler, die diesem Anspruch gerecht werden, konnten nach der Krise schnell wieder an alte Erfolge anknüpfen.

RBN: Was bedeutet das für die Figurenindustrie?

Wimmer: Figuren sind nach wie vor ein wichtiger Baustein für die perfekte Warenpräsentation. Unsere Aufgabe ist es, den sogenannten Identifikationseffekt beim Konsumenten auszulösen. Das gelingt nur mit einem kontemporären Styling. Das Zusammenspiel der Kollektion mit dem Warenträger löst die Emotion beim Kunden aus, was ihn letztendlich zum Kauf animiert.

RBN: Wie kommt Wissler Mannequins durch diese Krisen?

Wimmer: Wir sind in der glücklichen Situation, dass viele Sporthändler zu unseren Kunden zählen, die aktuell in die Zukunft investieren. Momentan ist unser Problem weniger die Auftragslage, sondern vielmehr die Lieferfähigkeit. Auch wir sind massiv von den instabilen Lieferketten betroffen. Zudem machen auch uns die stetig steigenden Rohstoffpreise zu schaffen. Trotzdem sind wir sehr zufrieden mit dem letzten Geschäftsjahr.  Auch im aktuellen Geschäftsjahr sehen wir, dass die Kunden sich wieder trauen in Schaufensterfiguren zu investieren. Wie sich die Ukraine Krise auf das Geschäft auswirken wird, können wir zum jetzigen Zeitpunkt nur schwer einschätzen.

RBN: Den Figurenhersteller Wissler Mannequins gibt es bereits seit dem Jahr 1925. Inwieweit hat Wissler die Figurenindustrie mitgeprägt?

Wimmer: Seit knapp 100 Jahren sind wir als Wissler nicht mehr wegzudenken im Figuren-Sektor. Nahezu alle großen Handelsunternehmen waren schon Kunde von Wissler Mannequins. Bis in die 1990er Jahre gab es fast ausschließlich realistische Figuren, mit Make-Up und Perücken. In der Zeit war das Wissler Geschäftsmodell geprägt von Restaurierungen und Reparaturen. Als Fritz Hedrich in dritter Generation die Geschäftsführung übernommen hat, erkannte er schnell, dass es nahezu keine Sportfiguren am Markt gab. Dieses Segment wurde durch Wissler besetzt und prägt bis heute das Erscheinungsbild der Marke Wissler.

RBN: Wofür steht Wissler Mannequins?

Wimmer: „Wissler means Innovation“ lautet der Slogan unserer Imagebroschüre. Spektakuläre Figuren, wie der Fallrückzieher, oder der Sprinter sind die Aushängeschilder der Sport Kollektion. Wissler steht aber auch für innovative individuelle Lösungen. Ein sehr gutes Beispiel ist aktuell die Zusammenarbeit mit den Salzburger Festspielen. Für eine Inszenierung im Sommer 2022 haben wir eine Lösung entwickelt, bei der über 400 Figuren auf der Bühne stehen. Dabei musste das Standsystem, die Körperhaltung und ein hohes Maß an Flexibilität neu gedacht werden. Die Kundenbedürfnisse zu verstehen und das Knowhow, daraus die passenden Lösungen zu entwickeln, sehe ich als eine unserer größten Stärken.

RBN: Apropos individuelle Lösungen: viele Kunden verlangen von ihren Lieferanten individuelle und vor allen Dingen nachhaltige Lösungen. Wie geht Wissler Mannequins mit diesem Thema um?

Wimmer: Die Produktion umzustellen, auf kurze Lieferwege und umweltfreundliche Materialien, ist ein langwieriger Prozess, den wir bereits angestoßen haben. Wir beschäftigen uns mit recycelbaren Materialien, die für die Figurenproduktion verwendet werden können und bestenfalls auch in Europa produziert werden. Trotzdem wollen wir schon heute unseren Beitrag zum CO2 Ausgleich leisten, bis wir das Thema Nachhaltigkeit auch im Sortiment umsetzen können. Wir arbeiten mit der renommierten Organisation Plant-my-tree zusammen. Für jede Lieferung, die unser Lager verlässt, wird ein Baum gepflanzt. Dem Kunden wird dies mit einer sog. Baum-Urkunde bestätigt. Die Pflanzung erfolgt in Baden-Württemberg. Ein Stiftungsmodell garantiert, dass die Bäume 99 Jahre nicht kommerziell genutzt werden. Somit wird der CO2 Ausgleich sichergestellt.

RBN: Im Jahr 2017 ist Wissler Teil der Bohnacker-Gruppe geworden. Welches Resümee ziehen Sie aus diesen fünf Jahren?

Wimmer: Wissler Mannequins war ein wichtiger Baustein für die Bohnacker-Gruppe, auf dem Weg zur 360° Lösung im Bereich Ladenausstattung. Zusammen mit dem Online-Shop ShopDirect – die Bohnacker Retail-Plattform mit über 5000 Artikeln – bietet Bohnacker mittlerweile ein Vollsortiment für Ladenausstattungen. Die Kunden profitieren vom „Alles-aus-einer-Hand“- Prinzip. Aber auch das 7.500m² große Logistik-Zentrum, das bis zu 500 Pakete pro Tag versendet, eröffnet neue Möglichkeiten für Wissler, wie z.B. weltweite Roll-Outs.

RBN: In welchem Segment liegt der Hauptabsatzmarkt von Wissler Mannequins?

Wimmer: Nach wie vor hat Wissler eine marktführende Stellung im Bereich Sportfiguren. Diese Kernkompetenz wollen wir auch weiterhin festigen und ausbauen. In wenigen Wochen werden wir die neue Serie IMPULSE launchen und erneut Akzente setzen im Bereich Sportfiguren.

RBN: Wieso hat sich Wissler vor allen Dingen auf den Bereich Sportfiguren spezialisiert?

Wimmer: Das Ganze war und ist ein Wachstumsprozess. Bereits Anfang der 1990er Jahre hat Wissler die ersten Sportfiguren auf den Markt gebracht. Mit dem Wachstum des Sortimentsumfangs ist auch der Stammkundenkreis gewachsen, bis Wissler immer mehr als der Spezialist für Sportfiguren wahrgenommen wurde. Mit dem aktuellen Sortiment decken wir nahezu jede Sportart ab und unsere Kunden wissen: Sport = Wissler.

RBN: Aber auch im Fashion-Bereich wollen Sie Marktanteile gewinnen: Dafür haben Sie die Serie „Cotton & Wood“ entwickelt. Welche Vorteile hat die neue Serie für die Inszenierung von Fashion-Brands?

Wimmer: In den letzten Jahren haben sich Schneiderbüsten als Fashion Präsenter zu einem Trend entwickelt. Cotton & Wood ist unsere Interpretation zu diesem Thema. Die beweglichen Holzarme und die Vielfältigkeit der unterschiedlichen Optionen bieten unzählige Möglichkeiten. Der Kunde kann mit wenig Aufwand immer wieder neue Inszenierungen gestalten.

RBN: Apropos Inszenierung: Gibt es aus Ihrer Sicht bestimmte Regeln und Trends beim Fitting von Ware auf den Figuren?

Wimmer: Da kommt wieder der Identifikationseffekt ins Spiel. Die Ware muss so inszeniert werden, dass sich der Zielkunde darin wiederfindet. Meist sind es die Details, die den Unterschied ausmachen. Jede Figur von Wissler ist die Darstellung einer eingefrorenen Szene. Dabei muss z.B. der Sprinter im hochwertigem Lauf-Outfit und Spike-Schuhen die Dynamic bespielen, während der sog. Schnürsenkel-Binder sich gerade im Umkleideraum auf den Sport vorbereitet. Da machen vielleicht offene Schnürsenkel und ein offener Reisverschluss die Szene authentisch.

RBN: Können Sie Styling-Tipps für Ihre Figuren geben?

Wimmer: Das perfekte Ganze machts. Während der Schwimmer mit Badehose und Schwimmbrille perfekt gestylt ist, braucht der Skifahrer von den Skischuhen, über das Outfit bis hin zum Helm alle Accessoires, die den Sportler darstellen. Nur dann wirkt die Inszenierung authentisch. Dazu braucht man aber auch die passenden Figuren. Insbesondere im Bereich Sport.

RBN: Welche Ziele hat sich Wissler Mannequins in einem heiß umkämpften Figurenmarkt gesetzt?

Wimmer: Unser wichtigstes Ziel ist es, das Kernsortiment Sport zu festigen und auszubauen. Zudem wollen wir auch unsere Kompetenz im Fashion Bereich stärken. Unabhängig vom Sortiment, hat Wissler mittlerweile – als Teil der Bohnacker Gruppe – ein deutlich größeres Leistungsspektrum. So wollen wir wahrgenommen werden und gestalten dementsprechend unseren Marktauftritt.

RBN: Herr Wimmer, vielen Dank für das Gespräch.

Interview: Helmut Lippl

 

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Beitragsfoto: Projektfoto, www.projekt-foto.com

HL